Auch Senioren spielen im
Nachwuchs-Ensemble
VON JULIA KAISER
MITEINANDER "Es kommt nicht." Josefine zuckt die Schultern. Sie bläst kräftig in ihre Querflöte, doch alles, was beim "g" ertönt, ist ein heiseres Tröten. "Wie, es kommt nicht? Es muss kommen", ruft Dirigent Michael Tappert. Das Mädchen holt tief Atem, dann endlich: Das "g"! Sie lacht, die Umsitzenden nicken anerkennend, auch Tappert ist zufrieden. Josefines Nebenmann Johannes sieht der kleinen Extra-Lektion aufmerksam zu. Auch er spielt Querflöte. Der Unterschied: Josefine ist zwölf, Johannes 78. Beim Nachwuchs-Ensemble des Lohmarer Blasorchesters finden Jung und Alt zusammen. Das Angebot ist explizit nicht nur für Kinder und Jugendliche, sondern auch für Erwachsene und Senioren, erklärt Jugendewartin Conny Rühl. Seit fünf Jahren können unter dem Stichwort "Nachwuchs" - oder besser "Aufbau-Orchester" - auch Ältere mitmachen. Anlass waren Musiker, die gerne einsteigen wollten, sich aber im großen Ensemble überfordert fühlten. Wie eben Johannes Steeger. Der Mann aus Heide hatte anderthalb Jahre lang Privatstunden genommen, als er beim Lohmarer Stadtfest auf der Bühne das Blasorchester sah. "Dazu hätte ich auch Lust", beschloss der Senior. "Dann habe ich einen Abend im Hauptorchester mitgespielt und war ganz entsetzt", erinnert er sich und lacht. Zu schwierig für ihn, merkte er rasch. Mit dieser Erkenntnis war er nicht allein, und so beschloss der Verein, auf das Problem zu reagieren.
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Mit großer Begeisterung spielt Johannes Steeger (78) die Querflöte im Nachwuchs-Orchester. (Foto: Kaiser)
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"Wenn jemand im großen Orchester nicht mitkommt, ist das für beide Seiten frustrierend", sagt Jugendwartin Rühl. Deswegen wurde kurzerhand der Nachwuchskreis für Ältere geöffnet. Seitdem fühlt sich auch Johannes Steeger dort wohl und spielt einträchtig zusammen mit Kindern und Teenagern. Das Küken im Ensemble ist erst sieben, Steeger mit 78 der Älteste. "Jung und Alt lernen voneinander", sagt Rühl. Drei erwachsene Männer und eine Frau spielen derzeit beim Nachwuchs mit, Klarinette, Querflöte, Trompete und Tenorsaxofon.
"Halt, das war nix. Hast du's gemerkt?" Dirigent Tappert zeigt gut gelaunt auf einen jungen Trompeter, der etwas verlegen sein Instrument sinken lässt. Doch Tappert spornt seine Schützlinge mit Verve an, zählt den Takt mit, gibt die Tonhöhe vor, berät, verbessert, ermutigt. Wie die Gesichtsfarbe des Chorleiters gewinnt auch die Probe an Intensität.
Vor allem einer erntet heute wohlwollende Blicke: Ein Neuling mit Posaune. "Posaunen sind gefragt. Auch Horn. Das ist nichts, worauf junge Leute so einfach verfallen", sagt Rühl. Gesucht werden vor allem Blechbläser. Dabei sind gerade die Blasinstrumente in der einen oder anderen Lebensphase nicht ganz einfach zu händeln, erklärt Rühl: "Eigentlich braucht man bleibende Zähne zum Spielen". Das Milchgebiss sei noch zu klein, im Teenageralter hingegen behinderten oft Zahnklammern das Spiel. Kleiner Trost: Auch manche der Senioren haben mit diesen Problemen zu kämpfen, allerdings wegen der dritten Zähne. "Auch da hatten wir schon Leute, bei denen es wegen des künstlichen Gebisses mit der Musik nicht geklappt hat. Sie konnten dann das Mundstück nicht mehr so festhalten oder der Luftstrom wurde behindert", berichtet Conny Rühl.
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Mutter und Töchter im Doppelpack: Das Aufbauorchester ist für die ganze Familie. (Foto: Kaiser) |
Musik für Jung und Alt - und ihre generationenübergreifenden Tücken.
Schnupperstunde
Das Aufbau-Ensemble beim Lohmarer Blasorchester probt immer mittwochs von 17.45
bis 18.45 Uhr in der Aula der Hauptschule Lohmar, Hermann-Löns-Straße. Jeder
Interessierte ist eingeladen, mit oder ohne Instrument zu einer Schnupperstunde
vorbeizukommen und mitzuspielen oder zuzusehen. Auskünfte erteilt bei Bedarf
aber auch vorab Jugendwartin Conny Rühl unter 0221/2054558.
(Rhein-Sieg-Anzeiger vom 27.04.2013)

